Erhöhung des Mindestlohns

Eines der zentralen Wahlkampfversprechen der SPD war die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns auf zwölf Euro pro Stunde. Mit dem „Gesetz zur Erhöhung des Schutzes durch den gesetzlichen Mindestlohn und zu Änderungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung“, wird dieses Versprechen nun in die Tat umgesetzt. Ab dem 01.10.2022 ist jeder Arbeitgeber Deutschlands verpflichtet, seinen Arbeitnehmern zwölf Euro brutto pro Stunde zu bezahlen.

Die Änderungen betreffen allerdings nicht jeden Beschäftigten. Es gibt Gruppen, welche vom Mindestlohngesetz nicht erfasst werden. Dazu zählen:

  • Jugendliche unter 18 Jahren,
  • Langzeitarbeitslose (während der ersten sechs Monate nach Beendigung der Arbeitslosigkeit),
  • Praktikanten (sofern es sich um ein Pflichtpraktikum im Rahmen einer betrieblichen oder universitären Ausbildung oder um ein Praktikum, welches nicht länger als drei Monate dauert, handelt),
  • ehrenamtlich Tätige und
  • Auszubildende (separate Mindestlohnvergütung).

Einige Fragen bezüglich des Mindestlohngesetzes bleiben weiterhin offen. So hat zum Beispiel die Rechtsprechung noch nicht klar definiert, ob und welche Zuschläge (und sonstige finanziellen Leistungen) auf den gesetzlichen Mindestlohn angerechnet werden können. Als Leitlinie festgelegt ist lediglich, dass all jene Zusatzleistungen anrechenbar sind, mit der die vertraglich vereinbarte Tätigkeit vergütet wird. Dies wären dementsprechend Leistungs- oder Schichtzulagen. Nicht anrechenbar sind beispielsweise Nachtzuschläge oder Trinkgelder.

Arbeitszeiterfassung

Bereits im Jahr 2019 wurde mit dem „Stechuhrurteil“ des Europäischen Gerichtshof (vgl. EuGH, Urt. v. 14.05.2019 – C-55/18) eine Pflicht zur Vollzeiterfassung der Arbeitszeit ins Leben gerufen. Juristen in Deutschland waren sich seither einig, dass der Gesetzgeber dazu zunächst aktiv werden müsse, da eine rechtliche Grundlage, welche die Vorgaben des EuGH umsetzen könne, in Deutschland noch nicht existiere. Ein Beschluss des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Beschl. v. 13.09.2022. – 1 ABR 22/21) zeigte nun, dass eine solche rechtliche Grundlage sehr wohl existiert und bereits seit Jahrzehnten im deutschen Arbeitsschutzgesetz niedergeschrieben ist.

In dem konkreten Fall ging es ursprünglich um die Frage, ob einem Betriebsrat ein Initiativrecht bezüglich der Einführung einer elektronischen Zeiterfassung zustehe. Das BAG verneinte diese Frage und begründete, dass ein solches Mitbestimmungsrecht nach § 87 BetrVG nur bestehe, wenn die betriebliche Angelegenheit nicht bereits gesetzlich geregelt sei. Und hier nun entschied das BAG, dass eine Arbeitszeiterfassung als Organisation einer erforderlichen Maßnahme des Arbeiterschutzes und demzufolge dessen Einrichtung nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG für den Arbeitgeber verpflichtend sei.

Sowohl Politik als auch Wirtschaft werden durch diesen Beschluss nun erheblich unter Druck gesetzt. Die Begründung, dass eine gesetzliche Grundlage für das Urteil des EuGH bislang nicht im Deutschen Recht existiere, ist nun hinfällig. Es bleibt abzuwarten, wie der Gesetzgeber darauf reagiert. Gleichzeitig ergeben sich viele Fragen für Arbeitgeber und -nehmer. Arbeitgeber können zukünftig vor enorme bürokratische und finanzielle Herausforderungen gestellt werden und Arbeitnehmer könnten wesentlich an Flexibilität verlieren. Der kontinuierliche Wandel der modernen Arbeitswelt wird die Gesetzgebung vor einige Herausforderungen stellen. So ist beispielsweise noch unklar, wie das Stechuhrurteil im Bezug auf Arbeitsformen wir „Workation“ oder „Remote-Work“ Anwendung finden wird. Arbeitgebern wird geraten, zunächst keine übereilte Umstrukturierung vorzunehmen. Sanktionen für Verstöße gegen § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG sind bisher nämlich nur dann vorgesehen, wenn gegen eine Anordnung der Arbeitsschutzbehörde bezüglich einer Zeiterfassungsanlage verstoßen wird. Nichtsdestotrotz bietet es sich an, bereits jetzt Planungen anzuschieben, welche Zeiterfassungssysteme sich für die jeweilige Arbeitsstätte umsetzen ließen.