Arbeitsunfähigkeit nach Kündigung – Entgeltfortzahlung?
Wird im Zusammenhang mit einer Kündigung eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Arbeitnehmers eingereicht, kommt schnell der Verdacht auf, diese könnte vorgetäuscht sein. Selten gelingt dem Arbeitgeber der Beweis, da Gerichte einer solchen ärztlichen Bescheinigung grundsätzlich eine hohe Beweiskraft beimessen. Dieser Beweiswert kann erschüttert sein, wenn die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung am Tag des Zugangs der Eigenkündigung des Arbeitnehmers eingereicht wird und passgenau bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses andauert (BAG, Urteil vom 08.09.2021, Az. 5 AZR 149/21).
Das LAG Niedersachsen (Az. 8 Sa 859/22, Urteil vom 08.03.2023) hatte sich nun mit dem umgekehrten Sachverhalt einer Arbeitgeberkündigung zu befassen.
Im März 2023 erhob nunmehr ein Angestellter gegen seinen Arbeitgeber Kündigungsschutzklage, welcher nach einer Kündigung durch den Arbeitgeber und folgender Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers die Entgeltfortzahlung verweigerte. Es handelte sich um einen Hilfsarbeiter, welcher seit einem Monat nicht mehr eingesetzt wurde. Dieser reichte am 02. Mai 2021 eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für vier Tage ein, und wurde am selben Tag ordentlich zum Ende des Monats gekündigt. Die Kündigung ging dem Angestellten einen Tag später zu, woraufhin dieser zwei weitere Krankschreibungen einreichte, sodass er bis Ende der Kündigungsfrist als arbeitsunfähig galt.
Der Arbeitgeber verweigerte hierauf die Entgeltfortzahlung mit der Begründung, dass die Krankschreibung zeitgleich mit der Kündigung erfolgte und bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses andauert. Vor Gericht argumentierte der Arbeitnehmer jedoch, dass die Krankschreibung einen Tag vor dem Zugang der Kündigung erfolgte und demnach unmöglich als Reaktion auf die Kündigung angesehen werden könne.
Das LAG Niedersachsen entschied: Nach den Grundsätzen des BAG kann die Beweiskraft einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert sein, wenn ein Arbeitnehmer nach der Kündigung eine Krankschreibung einreicht, welche passgenau die verbleibende Zeit des Arbeitsverhältnisses abdeckt. Zudem wurde in dem Fall des BAG die Kündigung durch die Arbeitnehmerin ausgesprochen.
Da jedoch die Krankschreibung des Arbeitnehmers in diesem Fall vor Eingang der Kündigung erfolgte und es sich bei der kündigenden Partei um die Arbeitgeberseite handelte, sei die Beweiskraft der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht erschüttert. Der Arbeitgeber musste also den ausstehenden Lohn zahlen.
Das LAG hat allerdings die Revision an das BAG zugelassen. Die Umstände, unter welchen der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert wird, seien noch nicht hinreichend geklärt; insbesondere, wenn wie vorliegend passend zu Beginn der neuen Tätigkeit beim neuen Arbeitgeber die Genesung eintritt.
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Arbeitsrecht